Guten Morgen, Frau Heineke!
Shownotes
Der Streaminganbieter Qobuz ist der erste, der seine Verteil-Mechanismen öffentlich macht. Ein Gespräch mit der Country-Managerin für Deutschland, Mareile Heineke.
PARIS – Der Streaminganbieter Qobuz, versteht sich als Verfechter fairer Künstlerausschüttungen und hoher Klangqualität. Nun hat er erstmals detaillierte Einblicke in seine Zahlungen an Rechteinhaber gegeben. Im Jahr 2024 zahlte Qobuz durchschnittlich rund 0,018 Euro pro Stream, »das heißt, für 1000 Streams zahlen wir rund 18 Euro und zwei Cent«, erklärt Mareile Heineke, Countrymanagerin für die DACH-Region bei Qobuz, im Gespräch mit dem Podcast Backstage Classical.
Zählung beginnt ab 30 Sekunden
Pro abgespieltem Titel, der länger als 30 Sekunden gehört wird, zahlt Qobuz den genannten Betrag. Das gängige Abrechnungsmodell in der Branche, einschließlich Qobuz, basiert auf dem »Marketshare«, bei dem alle Streams in einen Topf fließen und proportional verteilt werden. Nutzerzentrierte Modelle, bei denen jeder einzelne Stream direkt einem Künstler zugeordnet und vergütet wird, seien laut Heineke noch wenig ausgereift.
Auch der Average Revenue per User ist bei Qobuz überdurchschnittlich hoch. »Der durchschnittliche Umsatz pro User liegt bei ungefähr 118 Euro, während der Marktdurchschnitt bei 21,73 Euro liegt«, sagte Heineke und führte diesen signifikant höheren Durchschnitt darauf zurück, dass Qobuz im Gegensatz zu vielen Konkurrenten keine kostenlosen, werbefinanzierten Abonnements anbietet. Qobuz behält einen Teil der Abonnementgebühren ein, um die eigenen Kosten zu decken: Etwa 70% des Umsatzes werden an die Rechteinhaber ausgeschüttet.
Von Menschen kuratiert
Ein zentrales Unterscheidungsmerkmal von Qobuz gegenüber anderen großen Streamingplattformen sei der starke Fokus auf redaktionelle Kuration anstelle von Algorithmen. »Alles, was wir den Userinnen und Usern präsentieren, ist von unserer Redaktion von Hand ausgewählt«, betonte Heineke. Qobuz sehe darin ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Die Playlists und Empfehlungen werden von einem Redaktionsteam zusammengestellt, das jede Woche Neuerscheinungen sichtet und Rezensionen verfasst, um den Nutzern ein »gesamtheitliches Erlebnis« zu bieten.
Diese Philosophie spiegele sich auch in der Entscheidung wider, Klassik nicht in einer separaten App auszulagern, sondern im Standardangebot zu integrieren, um so ein breiteres Publikum anzusprechen. »Wir möchten, dass die Klassik auch ein größeres Publikum anspricht«, bekräftigte Heineke.
Die Katalogisierung von klassischer Musik stellt für Streamingdienste aufgrund der Komplexität von Werken, Interpreten und Satzbezeichnungen eine besondere Herausforderung dar. Qobuz begegnet dieser Herausforderung durch die Anreicherung der Metadaten auf Album- und Trackebene, um detaillierte Informationen zu Komponisten, Interpreten, Toningenieuren und weiteren Beteiligten bereitzustellen.
Das Ende der CD?
Bezüglich der Zukunft der CD äußerte sich Heineke skeptisch: »Ich glaube, die CD wird langfristig nicht bestehen. Das liegt einfach daran, dass es kein besonders schönes Medium ist – also rein vom vom haptischen und visuellen her.« Im Gegensatz dazu erlebe die Schallplatte als physisches »Kunstobjekt« derzeit eine Renaissance.
Im Unterschied zu einigen anderen Plattformen ermöglicht Qobuz Amateuren nicht, ihre Musik direkt hochzuladen. Stattdessen ist eine Zusammenarbeit mit einem digitalen Vertrieb erforderlich, um die Musik auf die Plattform zu bringen und Streaming-Manipulationen vorzubeugen. Für unabhängige Künstler existieren jedoch sogenannte technische Aggregatoren, die diese Vertriebsrolle übernehmen können.
Heineke wies auch auf nationale Unterschiede im Musikgeschmack hin. So würden französische Nutzer tendenziell mehr französische Musik und World Music hören als beispielsweise deutsche Konsumenten.
Mit Blick auf die Zukunft der Musikindustrie erwartet Heineke eine zunehmende Bedeutung von künstlicher Intelligenz, sieht aber gleichzeitig einen wachsenden Wunsch der Nutzer nach handgemachter Musik als Gegenbewegung. »Ich glaube, diese Pole werden sich in Zukunft herauskristallisieren«. Heineke hofft, dass Qobuz weiterhin ein jüngeres Publikum für einen »bewussten Musikgenuss« gewinnen kann.
Abschließend betonte Heineke, dass Streaming und traditionelles Radio sich nicht zwangsläufig ausschließen, da Radio weiterhin ein wichtiges Gemeinschaftsgefühl und kuratierte Inhalte biete. Qobuz selbst bietet seinen Nutzern im »Magazin« redaktionelle Inhalte, Interviews und Playlists.
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