Guten Morgen, Vera Nemirova!
Shownotes
Die Opernregisseurin Vera Nemirova äußert sich im BackstageClassical-Podcast über die Gegenwart und Zukunft der Opernregie. Mit kritischem Blick beleuchtet sie aktuelle Trends und skizziert ihre Vision für die Zukunft des Musiktheaters.
Regietheater im Wandel
Nemirova sieht den Regisseur als »zweiten Autor«, der die Vorlage kreativ interpretieren und verändern darf, um eine klarere Erzählung zu ermöglichen. Diese Entwicklung habe sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend etabliert und den Regisseur auf Augenhöhe mit den Librettisten und Komponisten gebracht.
Kritik an gegenwärtigen Tendenzen
Mit Sorge beobachtet Nemirova einen Trend zur »größeren Opulenz in der Bildoptik«. Sie kritisiert kostspielige, überladene Bühnenbilder, die oft mehr der Zeitverschwendung als dem inhaltlichen Beitrag dienen. Auch bemängelt sie die Tendenz mancher Regisseure, sich auf repetitive Muster und Methoden zu beschränken, was zu einer gewissen »Einfallslosigkeit nach dem Erfolg« führe. Sie nennt Beispiele wie die Reduzierung aller Probleme auf psychologische Aspekte oder das Umkehren von Täter- und Opferrollen. Auch die Tendenz, bekannte Opern ohne die titelgebende Figur zu inszenieren, sei bei Regisseuren ein inzwischen auserwähltes Muster.
Vorbilder und Hoffnungsträger
Nemirova würdigt die Pionierarbeit von Regisseuren wie Peter Konwitschny, Hans Neuenfels, Harry Kupfer und Götz Friedrich, die das heutige Musiktheaterverständnis maßgeblich geprägt haben. Gleichzeitig sieht sie in der jüngeren Generation, vertreten durch Tobias Kratzer und Barry Kosky, vielversprechende Nachfolger, die das Erbe würdig fortführen.
Zukunftsvision für die Oper
Für die Zukunft der Opernregie plädiert Nemirova für mehr Flexibilität und Offenheit im kreativen Prozess. Sie betont die Notwendigkeit, neue Stücke in die Spielpläne aufzunehmen und innovative Formate zu entwickeln, um ein breiteres, jüngeres Publikum anzusprechen. Besonders am Herzen liegt ihr die Einbindung von Kindern und Jugendlichen in den kreativen Prozess, was sie als »Investition in die eigene Zukunft« bezeichnet.
Nemirova fordert mehr Mut und Innovation von der Institution Oper. Sie hofft auf eine Öffnung zur Gesellschaft, um die Oper aus ihrer elitären Nische zu befreien und für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen. Mit dieser Vision zeichnet Nemirova ein Bild der Opernregie, das sowohl die reichen Traditionen des Genres respektiert als auch mutig in die Zukunft blickt.
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